Diesmal
berichtet Isy in ihrem Reise-Essay über ihr ganz persönliches Südseemärchen und
ihre Erfahrungen mit dem Programm Work & Travel.
Ich denke, ich war wie die meisten Teenager nach dem Abitur: Froh, dass es
endlich vorbei und geschafft war. Nur hatte ich absolut keinen Plan, was ich
machen wollte. Naja, studieren natürlich, aber keine Ahnung was. Also, was
macht man als Teenager ohne Plan? Abhauen. Beste Entscheidung meines Lebens.
Ich besorgte mir einen Katalog, sah mir alle Länder an und suchte mir aus, was
ich machen würde: Freiwilligenarbeit. Für die, die jetzt schon Google fragen
wollen: Prinzipiell zahlt man dafür, dass man irgendwo arbeiten darf. Und Gott
weiß, das war es wert!
Von der Sprachschule ins Urwaldparadies
Erste Station: Das Land in der goldenen Mitte der beiden
amerikanischen Kontinente. Costa Rica, die reiche Küste. Dort würde ich erst 4
Wochen auf eine Sprachschule (da ich bis dato außer ein paar Brocken kein
bisschen Spanisch sprach) in der Hauptstadt San José gehen und danach zwei
Wochen Freiwilligenarbeit in einem der vielen Nationalparks leisten. Blauäugig
und naiv buchte ich einfach alles und flog am 28. August los in unbekannte
Gefilde. Im Nachhinein bin ich immer wieder erstaunt und erschrocken, wie glatt
alles lief und wie viel Glück ich gutgläubige 18-Jährige hatte.
Ein Chauffeur brachte mich extra mitten in der Nacht zu meiner
Gastfamilie, und ich fiel völlig fertig in mein Bett. Sollte mein Abenteuer am
nächsten Morgen anfangen, ich war fix und alle. Am nächsten Morgen begrüßte
mich eine ganze (sehr kurzgewachsene) Tico-Großfamilie, und ich wurde unter
großem Tam-Tam zur Bushaltestelle geführt. Ich verstand kein Wort und musste
wohl sehr eingeschüchtert gewirkt haben, aber Großmama gab mir einen Plan, wie
ich zur Schule kam und los ging die Fahrt durchs hügelige San Jose. Die Schule
war klasse, eine kleine Anlage mit exotischem Garten mit Liegestühlen, einer
winzigen Kantine und hübschen, verschachtelten Räumen. Zuerst war ich noch
alleine in der Klasse, aber dann kam Naomi. Ach, Naomi. Ab da wurde alles
besser. Wir verstanden uns auf Anhieb, das verrückte Landei und die witzige
Berlinerin. Wir waren unzertrennlich.
Kurz darauf freundeten wir uns noch mit Chrissi und Steffi, zwei
Deutschen, und Miguel, einem Schweizer, an. 4 Tage hatten wir Sprachschule,
Freitag Samstag und Sonntag konnten wir nutzen, um Trips über die Schule zu
buchen. Das erste Wochenende verbrachten wir im bekanntesten Nationalpark
Manuel Antonio. Unser Hostel hatte einen wunderschönen Blick auf den Pazifik,
nachmittags liefen wir runter an den Strand. Ich war in meinem Urwaldparadies,
überall blühten seltsame Pflanzen, riesige blaue Schmetterlinge flogen an uns
vorbei, und fremde Geräusche prügelten auf unsere Ohren ein. Das Meeresrauschen
war ganz nah, und dann traten wir raus in schneeweißen Sand, vor uns der
kristallblaue Pazifik glitzernd in der Sonne. Wir planschten den ganzen Tag,
ließen uns beinahe von den vorwitzigen Kapuzineräffchen, Leguanen und
Waschbären beklauen, und ich holte mir den schlimmsten Sonnenbrand. Abends aß
das ganze Hostel zusammen, wir spielten Trinkspiele und genossen den Spaß, den
wir alle hatten. Wenn mein Po nicht so verbrannt gewesen wäre, hatte ich den
glücklichsten Schlaf gehabt. Es herrschte fast etwas Abschiedtrauer, als wir
mit dem holprigen Bus wieder quer durchs das winzige Land gen Hauptstadt
fuhren, vorbei an Plantagen, wunderschönen Küstenstraßen, Wald, Wald und noch
mehr Wald, durch Täler und über Flüsse. In der zweiten Woche bekam unsere
Gruppe noch einmal Zuwachs in Form von Charles, einem charmanten,
maximalpigmentierten Texaner und Caro, ihres Zeichens Yogagöttin.
Das zweite
Wochenende machten wir erst einen White Water Rafting Trip. Das muss jeder
Abenteuerlustige mal ausprobiert haben, eine Heidengaudi ist das! Man sitzt in
einem Zehn-Mann-Schlauchboot, und um einen rum nur unberührte, wilde Natur. Man
kommt sich vor wie in Jurassic Park (der dort auch zufällig teilweise gefilmt
wurde). Den Tag darauf fuhren wir nach La Fortuna, einem kleinen Dorf am Fuß
des El Arenal, eines aktiven Vulkans. Dort lag auch der größte Binnensee, der
Arenalsee. Nachts konnte man die leuchtend roten Linien der Lavaströme den
Vulkankegel hinabrinnen sehen. Sehr eindrucksvoll. Nachts besuchten wir einen
Fluss, der aus den heißen Quellen des Vulkans gespeist wurde. Das muss man sich
mal vorstellen, wir saßen in vulkanischen Quellen – mitten im Urwald! Um uns
herum die Lichter und Geräusche der Nacht, wir im blubberndem, schwefligen
Wasser. Über uns waren die hellsten Sterne die ich je gesehen hatte, riesige
Motten flogen um uns herum, und wir konnten die Affen im Wald hören.
Nebelwälder und tropische Sonne
Die Zeit flog vorbei, wir verbrachten die letzte Woche damit in
der kleinen, schäbigen Vergnügungsstraße in San José die ganze Nacht Salsa mit
fremden Latinos und Latinas durchzutanzen, bis dann schon wieder das Wochenende
anbrach, und wir wieder das Land erkunden konnten. Diesmal hatten wir uns für
die Karibik entschieden, und schnurstracks fuhren wir wieder in den klapprigen
Bussen an die Ostküste. Wenn ich vorher schon dachte, das costa-ricanische
Essen sei gut... Meine Geschmacksnerven implodierten förmlich. Wir waren in
einem winzigen, abgeranzten Restaurant, genossen die Aussicht auf die
gischtgekrönte Karibik und ich futterte das beste Essen meines Lebens (bis
jetzt).
Wir liehen uns Fahrräder und fuhren an der schmalen Küstenstraße
entlang, und wann immer uns ein Strand gefiel, hielten wir an, sprangen in die
Wellen und tobten wie ausgelassene Kinder unter der heißen tropischen Sonne.
Abends klapperten wir die offenen Salsaclubs ab, tanzten und lachten. Als wir
am Strand entlangkamen, sahen Naomi und ich uns grinsend an, rannten los,
rissen uns im Laufen noch die Klamotten runter und sprangen ins lauwarme
Wasser, komplett nackt und kichernd und kreischend. Händehaltend standen wir im
hüfttiefen Wasser, starrten zu den Sternen und sahen Millionen anderer Welten.
Auf dem Rücken treibend ließen wir uns in der warmen Strömung treiben, bis
irgendwas Naomis Bein streifte und wir schreiend aus dem Wasser rannten.
Die letzte Schulwoche flog nur so an uns vorüber, und Naomi und ich beschlossen
unser letztes Tripwochenende allein zu verbringen. Diesmal sollte es in den
Nebelwald hoch nach Monteverde, dem Grünen Berg, gehen. Als wir dort mit dem
Bus ankamen, traute ich meinen Augen nicht. Tiefster, ursprünglichster Wald in
einem so dunklen Grün, und von dicken Nebelschwaden durchzogen, dass man
Gänsehaut bekam. Mittlerweile verstand ich, warum die spanischen Eroberer
glaubten, Schätze zu finden. Es sah einfach danach aus! Nur dass der Schatz die
Natur, die Pflanzen Tiere und das Wissen der Menschen war anstatt schnödes
Gold. Einen Moment lag das ganze Dickicht des Urwald vor einem, und nur einen
Herzschlag später verschwand alles in dicken, undurchdringlichen Nebelschwaden.
Und es gab Kolibris. KOLIBRIS. Große, winzige, bunt schillernde Juwelen, die
überall herumflogen. Ich hätte Stunden damit verbringen können, nur in der
Hängematte zu liegen und auf das bebende Grün zu starren, ohne mich zu
langweilen. Es war geradezu magisch.

Im Nationalpark
Wir buchten einen Ausritt in einem örtlichen „Reitstall“, und
ritten durch den dichten Wald, wo uns immer wieder die großen blauen
Schmetterlinge umflogen, über grüne Weiden und an Zuckerrohrplantagen vorbei.
Naomis Pferd pupste in einer Tour, und wir brüllten vor Lachen, wenn uns die
ohrenbetäubende Stille zuviel wurde. Nachts unterhielten wir uns über alles was
schon passiert war, wischten uns hier und da eine Träne aus dem Auge und
planten schon unseren Aufenthalt in unserem Nationalpark, wo wir arbeiten
würden. Wir hatten uns für Montezuma an der Pazifikküste entschieden und würden
dort im Cabo Blanco Nationalpark sein und würden direkt von Monteverde aus
hinfahren, um dort Chrissi und Miguel wiederzutreffen.
Die Reise mit dem Bus
war unglaublich lang, wir waren mehr als froh, als wir endlich in Montezuma
ankamen. Dort stand auch schon der Bus, und heraus sprang eine überschwängliche
Chrissi, dicht gefolgt von Miguel. Wir fielen einander um den Hals und sangen
im Auto den ganzen holprigen Weg bis nach Cabo Blanco. Uns erwartete eine große
Holzhütte mitten im Urwald, wo uns der Park Ranger auch schon einwies und uns
zu unserer eigenen Unterkunft brachte. Es war eine noch größere Holzhütte
direkt am Meer. Vor der Veranda mit Hängematten war ein Stück Wiese, und dahinter brach ein Abhang etwa 3 Meter
hinab zu einem zerklüfteten Kieselsandstrand ans Meer. Wir konnten von den
Liegenstühlen auf der Wiese den Sonnenuntergang beobachten. Es war
unbeschreiblich. Hinter uns der dichte Urwald, vor uns das offene Meer, und
wieder begleiteten uns die Geräusche der Tiere, tags wie nachts.
Die letzte Woche verbrachten wir in Cabo Blanco und Montezuma. Wir hielten den
Park sauber, beobachteten die Kapuziner- Totenkopf- und Brüllaffen (Gott, die
waren laut!), fingen Skorpione auf der gefliesten Veranda und trugen sie wieder
in den Wald. Am letzten Wochenende fuhren wir ins nahegelegene Montezuma und
wollten dort unseren Abschied feiern. Wir buchten einen Schnorcheltrip nach
Tortuga, einer kleinen Insel mit wunderschönem schneeweißen Sand und glasklarem
Wasser. Als wir abtauchten, explodierten die Farben vor unseren Augen. Tausende
Fische in allen möglichen Formen und Farben zischten um uns herum durchs
kristallblaue Wasser, neugierig und zutraulich.
Hin... und ganz sicher wieder zurück!
Der Abschied fiel uns allen schwer, Miguel und Chrissi würden noch bleiben,
Naomi und ich würden wieder nach San Jose fahren, von wo aus ich das Flugzeug
nach Fidschi nehmen musste. In meiner letzten Nacht in Costa Rica lagen wir
nebeneinander im Bett, ließen alles kichernd Revue passieren und versprachen
uns, in Kontakt zu bleiben, bis wir endlich aneinander gekuschelt einschliefen.
Naomi begleitete mich sogar noch zum Flughafen, wir fielen uns tränenreich ein
letztes Mal in die Arme. Im Flugzeug überfiel mich ein mächtiges Verlustgefühl,
nicht nur wegen Naomi, sondern wegen allem, was ich zurückließ: Ich hatte
wunderbare neue Freundschaften geschlossen, in einem Land wie es kaum ein
schöneres geben konnte. Die Menschen dort, die Ticos, waren unheimlich freundlich,
aufgeschlossen und herzlich. Ich würde alles dort sehr vermissen.
Sollte jemals einer von euch das Bedürfnis haben, etwas völlig Anderes und
Neues ausprobieren zu wollen und Erfahrungen sammeln zu wollen, die man nie
wieder vergessen würde – Costa Rica.

Text und Bilder: Isabella Fetzer