Sonntag, 25. Mai 2014

Würzburgs Anamnesegruppe – Mediziner und Psychologen Hand in Hand

Seit diesem Semester gibt’s an der Würzburger Universität eine Anamnesegruppe. Ziel des Projekts ist es, durch Gespräche mit echten Patienten in die berufliche Zukunft hineinzuschnuppern. Nebenbei sollen sich die beiden Professionen, die auf völlig verschiedene Weisen an einen Menschen herantreten, kennen und verstehen lernen, damit man seine zukünftigen Patienten in der biopsychosozialen Gesamtheit wahrnimmt, die sie ausmacht.


Es handelt sich also um ein Vorhaben, das viel Verständnis und Akzeptanz auf allen Seiten erfordert. Die Psychologiestudenten Sandra Weisenberger und Max Berg sowie die Medizinstudentinnen Nora Neukamm, Lilian Kornmann und Anna Ruckdeschel stehen ihren 24 Schützlingen als Tutoren – ganz nach Thure von Uexkülls Vorbild – zur Seite. Uexküll gründete 1969 in Ulm die erste Anamnesegruppe und setzte damit ein Zeichen für die Zusammenarbeit von Medizinern und Psychologen, welches sich seither wie ein Lauffeuer an zahlreichen deutschen und österreichischen Universitäten ausbreitet.


Würzburger Pioniere: Anna Ruckdeschel, Max Berg, Nora Neukamm
Im letzten Semester hat es dann auch die Würzburger erwischt, als der Psychologe Robert Tscharn seine Studenten auf die Arbeit der Dresdner Anamnesegruppe aufmerksam machte. Sowohl seitens der Medizinstudenten, als auch der Lehrkoordinatoren, Herrn Leonhardt und Frau Splett, und den Schirmherren Professor Deckert aus der Medizin und Professorin Kübler aus der Psychologie gab es bald grünes Licht und die fünf Tutoren konnten nach einer Schulung mit drei Anamnesegruppen ins neue Semester starten. Als sich Interessierte in den letzten Wochen der Semesterferien über sb@home anmelden konnten, war der Andrang groß. Nach der Durchführung eines Losverfahrens konnten die Anamnesegruppen in die erste Runde starten.


Seitdem treffen sich die Gruppen wöchentlich, wobei jedes Mal ein anderes Mitglied ein 30- bis 45-minütiges Anamnesegespräch mit einem Patienten durchführen darf. Der Rest der Gruppe beobachtet und gibt anschließend – in Abwesenheit des Patienten – Feedback. Auch der Klient wird um eine Einschätzung der Unterhaltung gebeten. In dieser notenfreien Umgebung ist es möglich, sich problemlos auszuprobieren, zu lernen Feedback nach der „Cookie-Lemon-Cookie-Methode“ zu geben und ebenfalls anzunehmen.  Dabei  bleibt es laut Nora immer spannend, denn man kann nie wissen, was passiert. „Außerdem sind wir in der glücklichen Lage, das wir Zeit haben, einen Menschen als Menschen wahrzunehmen. Später steht man viel mehr unter Zeitdruck“, ergänzt Max.


Wer sich mit dieser Idee der interprofessionellen Zusammenarbeit identifiziert und mal einen Hauch von Praxis in sein Studium bringen will, kann sich in den nächsten Semesterferien über sb@home anmelden. Medizinstudenten müssen das zweite Semester, Psychologiestudenten ein Praktikum im klinischen Bereich absolviert haben.

Text und Bilder: Marie-Theresa Kaufmann

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